Statement zum „Bürgermeistergrundstück“

Lesen Sie hier die Erklärung der Grünen Liste Neuenbürg zum Thema „Bürgermeistergrundstück“. Vorgetragen wurde das Statement von Fraktionsmitglied Peter Kreisz in TOP „Fragen der Stadträte“ in der Gemeinderatssitzung am 19.11.2019.

 

PDF – Statement „Bürgermeistergrundstück“

 

Sehr geehrte Zuhörer und Zuhörerinnen,

Ja es stimmt, es gibt unterschiedliche Auffassungen zum Grundstückskauf von BM Martin, die es durch eine neutrale und fachkundige Instanz zu klären gilt. Doch der Reihe nach…

Im Oktober 2018 kaufte Herr Martin in Arnbach/ Lärchenweg ein Grundstück, dass zu diesem Zeitpunkt noch grüne Wiese und kein Baugebiet war. Im Dezember 2018 hatten wir dann im GR über den Antrag auf Umwandlung in Bauland zu entscheiden. Unsere Bitte, den Grundstückskauf zu erläutern und transparent zu machen, wurde leider nicht entsprochen. Unser Ziel war es, den Verdacht einer Vorteilsnahme im Amt durch den BM, zu entkräften. Mehrere Zeitungsartikel haben diesen Vorgang aufgegriffen und sich damit auseinander gesetzt. Der Tenor dieser Medienberichte war unserer Lesart nach: Miteinander sprechen, Aufklärung des Gemeinderates und Transparenz, hätten die Eskalationen im Gemeinderat verhindern können.

Die Stellungnahme von Herrn Techert am 22.10., stellt den bisherigen Höhepunkt dieser Eskalationsspirale dar, weil er uns sogar „kriminelle Energie“ vorwarf. Seiner Meinung nach haben wir uns die Unterlagen zum Grundstückskauf des BM „besorgt“ und einer Zeitung zugespielt.

Tatsache ist, und dies ist auch Herrn Techert seit der Sitzung im Oktober bekannt, dass ein Redakteur einer Regionalzeitung sich die betreffenden Unterlagen vom Grundbuchamt besorgt hat.Ihm war dies möglich, da er als Pressevertreter ein „öffentliches Interesse“ nachweisen konnte. Somit bezog er sich in seinem Artikel vom 4.10. auf diese Dokumente. Wir lassen uns von Herrn Techert nicht als Kriminelle bezeichnen und weisen diese unhaltbare Unterstellung entschieden zurück!

Am 13. November verschickte die Grüne Liste Briefe, jeweils an den Bürgermeister und an Herrn Techtert. Zudem verschickte ich persönlich noch zwei weitere an Herrn Gerwig und Herrn Pfeiffer. Das Ziel der Briefe war es, den Konflikt aufzuarbeiten, um wieder ein konstruktives Debattenklima herzustellen. Aus diesem Grund plädierten wir auf eine Richtigstellung der teils verleumderischen Aussagen, welche in der Oktobersitzung getroffen wurden, und auf eine Entschuldigung.

Wer jetzt meint, dass Fairness und Anstand es gebieten würden, dass Kollege Techert seine offensichtlich falsche und sogar in der Öffentlichkeit vorgebrachte Verleumdung uns gegenüber zurückgenommen und sich bei uns dafür entschuldigt hat, der irrt sich. Kein Wort der Richtigstellung, des Bedauerns von ihm –nur, wie auch schon bei BM Martin –Schweigen.

Heute Nachmittag aber hat Herr Techert eine Mail an mich geschrieben, in dem er u.a. bestreitet, uns, der GLN jemals „kriminelles Handeln“ unterstellt zu haben. Dies sei eine freie Interpretation von uns und wahrscheinlich der fehlenden Information zu seiner Rede geschuldet. Meiner Bitte um Übersendung seines Skripts zu seiner Stellungnahme am 22.10. ist Herr Techert leider nicht nachgekommen.

Das stellt unserer Meinung nacheinen Tiefpunkt in der bisherigen Debattenkultur dar! Scheinbar stellt es schon eine „Majestätsbeleidigung“ dar, wenn man sich in diesem Gremium erlaubt, kritische Fragen zu stellen. Normalerweise sollten bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen, eine respektvoller, angstfreier und die persönliche Integrität wahrender Umgang möglich sein und kein altertümlich-hierarchischer Stil!

Laut dem „Taschenbuch für Gemeinde-und Stadträte in Baden-Württemberg, 13. Auflage“ heißt es über die Rechtsstellung der Gemeinderäte: „Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der Gemeinde und die Vertretung der Bürger. Die Gemeinderäte sind keine Bedienstete der Gemeinde, sondern sie sind ehrenamtlich tätig. Für sie gilt deshalb keine Gehorsamspflicht, es besteht keine Dienstaufsicht durch den Bürgermeister, und sie unterliegen nicht dem Dienststrafrecht wie die Beamten.“

Erschwerend kommt bei diesem Vorfall noch dazu, dass der Versammlungsleiter, nämlich BM Martin, seine Funktion in der Oktobersitzungsträflich verletzt hat. Wozu er sich ebenfalls nach unserem Schreiben noch nicht geäußert hat. Die Funktion eines Versammlungsleiters beinhaltet, für einen geordneten Ablauf der Sitzung zu sorgen und auch dafür, die Unverletzlichkeit von Personen und Fraktionen zu schützen.

Ist das alles in dem Moment hinfällig, wenn der Grundstückskauf des BM kritisch hinterfragt wird und ist auf einmal alles erlaubt, sogar den Fragestellern öffentlich kriminelle Handlungen zu unterstellen? Ist es denn schon verleumderisch und stadtschädigend, wenn der Gemeinderat seine Überwachungs-und Kontrollfunktion der Stadtverwaltung gegenüber ordnungsgemäß wahrnimmt? Dann müssen wir aber die Gemeindeordnung in BW umschreiben.Wir beziehen uns dabei konkret auf die GemO BW § 24 Abs. 1, in welchem die Funktionen des Gemeinderats erläutert werden und da ist explizit von „Überwachung“ die Rede.

Im Volksmund heißt es, dass nur getroffene Hunde bellen. Bei der Lautstärke, Vehemenz und Aggressivität dieses „Bellens“ muss das Getroffen-Sein schon entsprechend groß sein.

Ich möchte hier noch einen kleinen Zeitsprung machen. Im öffentlichen Teil der GR-Sitzung am 18.12.2018, unter dem Tagesordnungspunkt „Bebauungsplan Lärchenweg…“, erklärte sich BM Martin für befangen und übergab an seinen 1. Stellvertreter Herrn Stadtrat Brunner die Versammlungsleitung.

Ich erkundigte mich daraufhin beim Sitzungsleiter Brunner, warum BM Martin befangensei? Hier ein Auszug aus dem Protokoll der Sitzung vom 18.12.18: „Herr Stadtrat Brunner erläutert, dass es einen Zusammenhang zwischen Person und des zu diskutierenden Gegenstandes gibt und fügt hinzu, dass Befangenheiten bisher nicht erklärt werden mussten und er dieses Thema dabei belassen möchte.“

Laut GemO liegt Befangenheit vor, „[…] wenn eine Angelegenheit oder einer ihm verbundenen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen könnte. […] Er muss nicht schon eingetreten sein oder tatsächlich eintreten, es genügt die bloße Möglichkeit. […] Welcher Art der Vorteil oder Nachteil ist, wie groß er sein könnte, ob er den Gemeindeinteressen zuwiderläuft und ob der Betreffende ihn überhaupt ausnützen will, ist dabei unerheblich.“ Taschenbuch für Gemeinde-und Stadträte, 13. Auflage, S. 36 u. 37

Konkret heißt das ja, dass eine Befangenheit nur dann vorliegt, wenn es der betreffenden Person, hier dem BM Martin, einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen könnte. Wer ist dann wegen Befangenheit vom Ratstisch zurückgetreten, der Bürgermeister oder die Privatperson Horst Martin? Hier zeigt sich die Fragwürdigkeit dieser Schutzbehauptung des BM, der bei diesem Grundstückserwerb zwischen privat und dienstlich trennen möchte. Wenn ein BM in seiner Kommune ein Grundstück kauft, ist er immer nicht nur Privatperson sondern auch BM. Alle wissen es und erkennen ihn auch als Bürgermeister. Wenn der BM dann ein Grundstück in einem Wiesengelände kauft, in dem sie ebenfalls Grundstücke haben, dürfen sie sich berechtigte Hoffnungen auf eine Umwandlung in Bauland machen.

Wenn Herr BM Martin dieses Grundstück nach der Umwandlung durch den GR in Bauland, zu dem vom Gemeinderat festgesetzten, regulären Preis gekauft hätte, wäre doch alles in Ordnung gewesen. Dass er es aber als grüne Wiese kauft und als Verwaltungschef die Umwandlung einen Monat später einleitet, hatte offensichtlich einen Grund und das ist dann erklärungsbedürftig!

Bis heute hat sich keiner der anderen (Hr. Pfeiffer, Hr. Gerwig und BM Martin) Angeschriebenen bei uns gemeldet.

Die Auswirkungen solcher eklatanten Vorfälle auf die Motivation und den Mut, sich aktiv mit Wortmeldungen, auch mal kritischen, an den Sitzungen zu beteiligen, ist verheerend. Gerade auch in Hinblick auf unsere neuen Gemeinderatsmitglieder, welche sich erst einfinden müssen. Wer befürchten muss, in diesem Gremium verlacht, beleidigt, ja sogar öffentlich verleumdet zu werden, für den wird die Hürde, seine Meinung im Rat zu äußern, immer höher. Das ist ein schlechtes Signal für einen lebendigen, ehrlichen und trotzdem respektvollen Austausch im Gemeinderat von Neuenbürg.

Es ist zwar noch nicht Weihnachten aber ein paar Wünsche seien uns jetzt schon erlaubt, da sie helfen können, in der Zukunft solche Vorkommnisse zu vermeiden:

  • Wir wünschen uns mündige Bürger und ihre mutigen Vertreter im Rat, die das Geschehen der Gesamtstadt kritisch begleiten und durch aktives Handeln mitgestalten und formen.
  • Wir wünschen uns vorausschauende Bürger und Räte, die Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen, darauf aufmerksam machen und Strukturen mitentwickeln, die gegensteuern.
  • Wir wünschen uns aufmerksame Bürger und Gemeinderäte, die sich trauen, laut zu sagen, wenn sie etwas nicht richtig finden. Wir wünschen uns weitsichtige Bürger und Räte, die ihr Handeln so ausrichten, dass auch die nachfolgenden Generationen die Chance auf Entwicklung und ein gutes Leben haben.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!